Zum Tag des Wolfes am 30. April zieht der Landesvorsitzende des NABU Hessen, Gerhard Eppler, eine kurze Bilanz zur Rückkehr des seltenen Beutegreifers. „Hessen hat derzeit sieben, teilweise grenzüberschreitende Wolfsterritorien mit insgesamt 10 sesshaften Tieren, darunter ein Rudel mit derzeit drei bestätigten Welpen nahe Rüdesheim im Rheingau“. Die Rückkehr des einst ausgerotteten Wolfes sei einer der größten Erfolge des Naturschutzes und stelle für die hessische Tierwelt eine große Bereicherung dar. „Wir erteilen der Debatte um die Regulierung des Wolfsbestandes in Hessen eine klare Absage“, betont Eppler.
„Wölfe gehören nach wie vor zu den seltensten Tieren Hessens“, erklärt Inge Till, Sprecherin der Landesarbeitsgruppe Wolf beim NABU Hessen. Die Menschen stehen der Anwesenheit von Wölfen in ganz Deutschland nach wie vor positiv gegenüber. „Wir müssen wieder lernen mit Wölfen zu leben, dazu gehören neben Information und Aufklärung vor allem auch finanzielle Unterstützung für Nutztierhalter*innen beim Herdenschutz“, so Till weiter. Dies sei dringend nötig, um den oft ohnehin schon förderrechtlich schlechter gestellten Weidebetrieben ein zukunftssicheres Arbeiten zu ermöglichen.
Nicht zuletzt spiele die Haltung von Schafherden auch im Naturschutz eine große Rolle, so etwa beim Erhalt blütenreicher Wiesen in europäischen Natura 2000 Schutzgebieten oder auch auf Flächen der NABU Stiftung Hessisches Naturerbe. Für Weidetierhalter*innen sei es besonders wichtig, ihre Tiere durch Herdenschutzmaßnahmen zu sichern und dabei die Angebote des Landes Hessen zum Herdenschutz und Förderung zu nutzen. „Die Zahl der Weidetierrisse hängt nicht vorrangig an der Zahl der vorhandenen Wölfe, sondern vor allem von der Qualität des Herdenschutzes ab“, mahnt Wolfsexpertin Till. „Wir appellieren deshalb an die Weidetierhalter*innen, die angebotenen Förderungen auch in Anspruch zu nehmen“.
„Das Zusammenleben mit Wölfen ist für unsere Gesellschaft eine Herausforderung. Wir können Akzeptanz nur durch Aufklärung, fachliches Wissen und akzeptable Lösungen im Miteinander aller betroffenen Gruppen erreichen“, bekräftigt der Biologe Eppler.
„Das Zusammenleben mit Wölfen ist für unsere Gesellschaft eine Herausforderung. Wir können Akzeptanz nur durch Aufklärung, fachliches Wissen und akzeptable Lösungen im Miteinander aller betroffenen Gruppen erreichen“Gerhard Eppler
Hintergrund
Jedes Jahr zum 30. April ruft der NABU den Tag des Wolfes aus. An diesem Datum endet aus wissenschaftlicher Sicht das Wolfsjahr. Im Mai wird der Wolfsnachwuchs geboren, ein neues „Monitoring-Jahr“ beginnt. Damit wird wissenschaftlich dokumentiert, wo und wie viele Tiere aktuell in Deutschland leben.
Der Wolf kommt nach Hessen zurück
Vor über 150 Jahren wurde der Wolf in Deutschland ausgerottet. Inzwischen ist er auf eigenen Pfoten in seine alte Heimat zurück gekehrt. Vielfach begegnen die Menschen dem Wolf mit Angst und Vorurteilen. Die LAG Wolf im NABU Hessen möchte vermitteln und wirbt durch Aufklärung für mehr Toleranz und Verständnis für den Wolf. Sie ist Ansprechpartner für Nutztierhalter, Jäger und alle, die Fragen zur Rückkehr des zur Zeit größten in Deutschland lebenden Beutegreifers haben.
Die Rückkehr der Wölfe nach Deutschland begann im Jahr 2000: Aus Polen kommend waren Wölfe über die Oder geschwommen und hatten sich in der sächsischen Lausitz niedergelassen. Auch aus Italien sind vereinzelt Tiere zugewandert. Mit der Geburt der ersten Welpen in freier Wildbahn war Deutschland wieder „Wolfsland“. Inzwischen sind über 150 Rudel in Deutschland heimisch.
Aus wildbiologischer Sicht ist es ganz normal, dass Wölfe sich ausbreiten und dabei die für sie geeigneten Territorien besetzen. Die Entwicklung eines Bestandes wird darüber hinaus von weiteren Faktoren wie Verlust von Tieren durch Verkehrsunfälle, Wilderei und Welpensterblichkeit beeinflusst. Der bekannteste hessische Heimkehrer lebte ab 2006 fünf Jahre lang im Reinhardswald bei Kassel. Er erfreute sich großer Beliebtheit in der Bevölkerung, trotz vereinzelter Übergriffe auf Nutztiere, die ihm zugeschrieben wurden. 2011 wurde er verendet gefunden. Er starb vermutlich eines natürlichen Todes. Wolf „Reinhard“ hat uns gezeigt, dass Mensch und Wolf wieder zusammenleben können. In den Jahren danach kamen immer wieder einzelne Wölfe nach Hessen, bis sich 2019 erste Pärchen bildeten. Im Rheingau-Taunus gibt es nun ein erstes Rudel mit mehreren Jungtieren.
Nutztierherden effektiv schützen
Die Rückkehr des Wolfes kann zu Konflikten mit Nutztieren führen. Mit einer guten Vorsorge im Vorfeld kann man Übergriffe auf Nutztierherden aber minimieren. Die Errichtung von Schutzzäunen gehört mittlerweile zum Standard beim Herdenschutz, Elektrozäune mit mindestens 90 cm hohen Netzen bieten einen guten Grundschutz, eine Höhe von 1,20 Meter ist die sicherere Variante.
Bewährt hat sich zudem der Einsatz von Herdenschutzhunden. Auch die Rückkehr zur Behirtung ist eine Maßnahme, um Nutztiere und Wolf auf Distanz zu halten. Hier können wir auch von anderen Ländern lernen, in denen der Wolf immer Teil des Tierbestandes war. Die zuständigen Verbände in Deutschland stehen mit Rat und Tat zur Seite. Einen einhundertprozentigen Schutz vor Schäden wird es nicht geben. Für diesen Fall werden die Möglichkeiten von Hilfen für Nutztierhalter im Managementplan geregelt.
Begegnungen mit Wölfen
Gesunde Wölfe, die nicht provoziert oder angefüttert werden und dadurch ihre Gleichgültigkeit gegenüber Menschen verlieren, stellen für den Menschen in der Regel keine Gefahr dar. Seitdem es wieder Wölfe in Deutschland gibt, hat es bei uns keine Situation gegeben, bei der sich Wölfe aggressiv gegenüber Menschen verhalten haben (siehe dazu auch die Ergebnisse der NINA-Studie zu weltweiten Wolfsangriffen). Wölfe brauchen keine Wildnis und leben mit uns in der Kulturlandschaft. Daher ist eine Wolfssichtung in der Nähe von Siedlungen an sich nichts Ungewöhnliches. Insbesondere Jungtiere sind häufig neugieriger und unbedarfter als erwachsene Wölfe.
Einzelne Wölfe, die ihre Distanz gegenüber Menschen dauerhaft aufgeben, sich aggressiv gegenüber Menschen verhalten oder sich auf Nutztiere beim Nahrungserwerb spezialisieren, können als auffällig bezeichnet werden. Das Bundesamt für Naturschutz hat Kriterien erarbeitet, wann ein Wolf als auffällig einzustufen ist und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Wenn ich einem Wolf begegne
Beobachten Sie das Tier ruhig. Wenn Sie sich unwohl fühlen, richten Sie sich auf und machen Sie sich groß. Lautes Rufen kann den Wolf vertreiben. Ziehen sie sich langsam zurück und melden Sie Ihre Beobachtung an den zuständigen Wolfsberater oder an die zuständige Behörde. Übrigens: Das Nachstellen für ein Foto treibt das Tier womöglich in die Enge und ruft vermeidbare Reaktionen hervor. Diese Verhaltensregeln gelten übrigens für alle wehrhaften Wildtierarten, wie z. B. auch Wildschweine, denen der Mensch mit Respekt begegnen sollte.
Der Wolf als Jäger und Gejagter
Der Wolf gilt als die Gesundheitspolizei in der hiesigen Tierwelt. Er jagt vornehmlich kranke und schwache Tiere. Dies sorgt für eine Stärkung der Beutetier-Population, was wiederum deren Bestand sichert. Die von Jägern manchmal befürchtete Bestandsgefährdung von Reh, Rot- und Schwarzwild wird somit nicht eintreten. In der Regel reguliert nicht der Räuber die Beute, sondern die Beute den Jäger.
Auch der Wald profitiert von der Rückkehr des Wolfes und der damit verbundenen Regelung des Wildbestands, denn der Wildverbiss wird reduziert. Wolf und Jäger können gemeinsam für Wilddichten sorgen, die für die Forstwirtschaft verträglich sind. Der Wolf ist eine europaweit streng geschützte Tierart. Die Bejagung ist gesetzlich verboten. Illegale Abschüsse werden mit hohen Geld- und gegebenenfalls auch Haftstrafen geahndet. Mehr Informationen zum Wolf in Hessen gibt es bei der NABU-Landesarbeitsgruppe Wolf.
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